Ein provokantes Plädoyer gegen die vom Justizsystem begünstigte Selbstherrlichkeit und Willkür deutscher Richter. Wie gerecht ist unser demokratischer Rechtsstaat? Rolf Bossi zeigt, wie durch Selbstherrlichkeit, Willkür und Inkompetenz die unabhängige Urteilsfindung ad absurdum geführt wird. Ein engagiertes Plädoyer für die Kontrolle eines Systems, in dem die Allmacht der Richter Quelle gravierender Justizirrtümer wird. "Der dienstälteste Staranwalt plant keinen leisen Abgang - das widerspräche seinem Naturell." Frankfurter Allgemeine Zeitung "Wenn Bossi demonstrieren wollte, dass die Unschuldsvermutung zu den Säulen des Rechtsstaats gehört, ist ihm dies gelungen - auch der Nachweis, dass Strafrecht ein Lotteriespiel sein kann." Süddeutsche Zeitung "Seine wahre Belastungsprobe besteht der Rechtsstaat immer erst im Angesicht des Verbrechens." Rolf Bossi
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Rolf Bossi, geboren 1923 in Karlsruhe, ist der bekannteste Strafverteidiger Deutschlands. In seiner über 50-jährigen Praxis als Rechtsanwalt hat er unzählige, teilweise prominente Fälle vertreten wie z.B. Romy Schneider, Ingrid van Bergen, den Kindermörder Jürgen Bartsch, den Gladbecker Geiselnehmer Dieter Degowski oder DDR-Grenzsoldaten im Mauerschützenprozess. Rolf Bossi lebt in München.
"Wenn Bossi demonstrieren wollte, dass die Unschuldsvermutung zu den Säulen des Rechtsstaats gehört, ist ihm dies gelungen - auch der Nachweis, dass Strafrecht ein Lotteriespiel sein kann."
Süddeutsche Zeitung
"Seine wahre Belastungsprobe besteht der Rechtsstaat immer erst im Angesicht des Verbrechens."
Rolf Bossi
1. JUSTITIA UND DER MENSCHLICHE MAKEL
Warum Wahrheit und Gerechtigkeit vor deutschen Strafgerichten oft wenig gelten
Die überwältigende Mehrheit der Menschen kommt zum Glück niemals ernstlich mit dem Gesetz in Konflikt. Gewiss, jeder hat mal falsch geparkt. Mancher hat vielleicht vor Jahren mal als dumme jugendliche »Mutprobe« im Kaufhaus eine Kombizange oder einen Lippenstift geklaut. Und die Ehrlichkeit der Bürger gegenüber den Finanzbehörden sei dahingestellt. Vor Gericht jedoch stehen pro Jahr nicht mehr als 4 Prozent aller Deutschen - die wenigsten davon, weil man ihnen eine Straftat zur Last legt. Meistens sind es Entscheidungen vor dem Familiengericht oder Zivilsachen vom kleinlichen Nachbarschaftsstreit bis zur millionenschweren Schadenersatzklage, die die Justiz beschäftigen.
Die regelmäßige Lektüre der Boulevardpresse erweckt dagegen einen ganz anderen Eindruck. Wer durch die Geschichten der Skandale und Skandälchen blättert, könnte meinen, Deutschland stecke mitten in einem gigantischen Sumpf von Gewalt und Kriminalität. Aber der nüchterne Blick auf die Statistik lehrt, dass die Bundesrepublik ein vergleichsweise friedfertiges Land ist. Zwar landeten 2002 rund 4,6 Millionen Fälle als Strafverfahren beim Staatsanwalt, gerichtlich entschieden wurden davon nur 934.000. Die meisten Fälle spielten sich vor einem Amtsgericht ab, waren demnach keine Kapitalverbrechen. Grob gerundet wird pro Jahr gerade mal jeder tausendste Bundesbürger zum Straftäter. Berücksichtigt man dann noch, dass sich mehr als ein Viertel der Delikte im Straßenverkehr zutrug und weitere 20 Prozent Diebstähle oder Unterschlagungen waren, nimmt sich das, was die breite Öffentlichkeit als Verbrechen fürchtet, für ein Land mit 82 Millionen Einwohnern kaum bedrohlich aus.
Die Zahl schwerer Straftaten ist damit kein wirklicher Grund zur Panik, zumal sie seit Jahren kontinuierlich sinkt. 2002 wurden in den alten Bundesländern 53.000 Personen wegen Körperverletzung, 9.500 wegen Raubes oder Erpressung, 2.300 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, knapp 2.000 wegen sexueller Nötigung oder Vergewaltigung und genau 613 wegen Mordes oder Totschlags verurteilt. Das alles sind schlimme Verbrechen, hinter denen schreckliche Einzelschicksale stehen. Dass in Deutschland - ohne die vermutlich weit höheren Dunkelziffern - pro Tag sechs bis sieben Kinder sexuell missbraucht und fünf Frauen vergewaltigt werden, ist ein unerträgliches Faktum. Doch allein in Städten wie New York oder Los Angeles geschehen in einem Jahr mehr Morde als insgesamt zwischen Kiel und Konstanz.
Unsere Gefängnisstatistik spricht eine ähnliche Sprache. Am 31. März 2003 saßen genau 62.594 Strafgefangene in Deutschlands Haftanstalten. Mehr als 40 Prozent verbüßten Strafen von weniger als einem Jahr, weitere 45 Prozent solche zwischen einem und fünf Jahren. Nur rund 2.000 Menschen sitzen lebenslang hinter Gittern. Mit 75 Strafgefangenen auf 100.000 Einwohner rangiert die Bundesrepublik international im unteren Drittel der Statistik. Zum Vergleich: In den Vereinigten Staaten liegt die Zahl der inhaftierten Personen pro 100.000 Einwohner bei über 600!
Wer für Räuber, Vergewaltiger, Kinderschänder und Mörder nach harter, unnachsichtiger Bestrafung ruft, tut das also von einem verhältnismäßig ruhigen Sessel aus, der meistens in einer gemütlichen Wohnung in einer friedlichen Kleinstadt steht. Und er tut es im Vertrauen auf den deutschen Rechtsstaat, der ihm das beruhigende Gefühl vermittelt, niemals eines solch abscheulichen Verbrechens zu Unrecht beschuldigt zu werden. Doch stellen Sie sich vor, Sie geraten trotzdem unschuldig in die Mühlen der Strafjustiz. Ich wette, dass Ihr Ruf, Polizei und Gerichte sollten mit aller Härte gegen verdächtige Kriminelle vorgehen, künftig etwas leiser, wenigstens aber differenzierter ausfiele. Eine Woche irrtümlich in Untersuchungshaft, und Sie würden den Wert der Unschuldsvermutung mehr als schätzen lernen. Sie wüssten sehr genau, wie ungeheuer wichtig es ist, dass die Schuld eines Angeklagten vor Gericht nicht nur zweifelsfrei bewiesen werden, sondern dass schon der kleinste Zweifel an seiner Schuld genügen muss, um ihn freizusprechen. Sie würden sich darauf berufen, in einer Demokratie zu leben, in der die Würde des Menschen das oberste Prinzip ist. Und Sie würden darauf bauen, dass die Hüter des Gesetzes die Unantastbarkeit dieser Würde garantieren.
Die Hüter des Gesetzes
»Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.« Artikel 97 unseres Grundgesetzes legt mit diesen schlichten Worten die dritte, vielleicht wichtigste Säule jeder rechtsstaatlichen Gewaltenteilung fest. Legislative, Exekutive und Judikative: Die Volksvertreter in den Parlamenten wählen die Regierung und beschließen die Gesetze, setzen sie aber nicht selbst um, sondern überlassen dies den ausführenden Organen im Staat. Unabhängige Gerichte wachen über deren Einhaltung. Dabei sind sie einzig und allein der Wahrheit und der Gerechtigkeit verpflichtet. Die Richter werden zwar von der Exekutive ernannt oder von den Parlamenten gewählt, aber einmal berufen, unterliegen sie keiner weiteren Kontrolle. Keine Regierung und kein Parlament, kein Minister und kein Beamter können einem deutschen Richter Weisungen erteilen. Er ist ein Beamter auf Lebenszeit, der nur unter wenigen, gesetzlich genau geregelten Bedingungen entlassen, seines Amtes enthoben, versetzt oder pensioniert werden kann. Auf der Grundlage der geltenden Gesetze fällt er seine Urteile in gänzlich eigener Verantwortung und nach eigenem Ermessen. Nur ein anderes Gericht könnte ein Urteil aufheben, abändern oder bestätigen.
Soweit die schöne Theorie von der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung und die Mär vom ebenso unabhängigen wie unfehlbaren Gericht. Die Praxis ist leider weit weniger leuchtend. Ihre Unabhängigkeit verleiht den Halbgöttern in Schwarz eine große Machtfülle. Auch wenn gewisse Bürger schon Halteverbote oder Einkommenssteuern für eine Einschränkung ihrer Freiheit halten: In einem tieferen, substanziellen Sinne verfügen letztlich nur die Richter über die Macht, dramatisch in unsere Freiheitsrechte einzugreifen. Ohne deren Beschluss darf kein Bürger länger als 24 Stunden verhaftet werden. Haben sie ihn aber des Mordes für schuldig befunden und wurde dieses Urteil von einer einzigen weiteren Instanz bestätigt, dann geben diese Entscheidungen der Staatsgewalt das unanfechtbare Recht, den Bürger für den Rest seines Lebens in eine neun Quadratmeter große Zelle zu sperren.
Glauben Sie mir, die Hüter des Gesetzes sind sich dieser Machtfülle sehr wohl bewusst. Dabei sind Richter doch auch nur Menschen, machen wie alle Menschen Fehler und erliegen Irrtümern. Darin unterscheiden sie sich nicht von Verkäufern, Installateuren oder Ärzten. Aber wenn ein Verkäufer Ihnen einen schlecht sitzenden Anzug aufschwatzt, können Sie ihn umtauschen. Wenn der Installateur pfuscht und ihre Wohnung unter Wasser steht, können Sie ihn haftbar machen. Etwas anders sieht es bei den Medizinern aus. Unterläuft einem Arzt ein Kunstfehler, kann die Konsequenz langes, sogar lebenslanges Leid sein. Vielleicht können Fachkollegen den Fehler korrigieren. Und obwohl kein Schmerzensgeld die schwer wiegenden Folgen ärztlichen Versagens zu lindern vermag, kann man den Arzt verklagen. Was aber geschieht, wenn Richter sich irren oder aus ganz anderen Gründen ein krasses Fehlurteil sprechen?
Checks and Balances
Gegenüber der staatlichen Gewalt, die so grundsätzlich in unsere Freiheits- und Persönlichkeitsrechte eingreift, gibt es wenige Möglichkeiten der Reklamation, keine Versicherung und kein angemessenes Schmerzensgeld. Denn wird ein Justizirrtum tatsächlich einmal korrigiert, ist der Regress nicht mehr als ein schlechter Witz. Für jeden Tag, den ein Bürger unschuldig in Haft verbringt, zahlt der Staat zurzeit 10,53 Euro Entschädigung. Nach einer zu Unrecht verbüßten Untersuchungshaft von sechs Monaten können Sie davon gerade mal...
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Zustand: Befriedigend. 1. Aufl. 288 Seiten Schnitt stark nachgedunkelt. Seiten sauber- LL-7-1-4 Wir akzeptieren nur Vorkasse. Sprache: Deutsch Gewicht in Gramm: 239 12,0 x 2,0 x 19,0 cm, Taschenbuch. Artikel-Nr. 87074
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12,5 x 18 cm Taschenbuch. Zustand: Gut. 1. Auflage. 278 Seiten Einband minimal berieben, Rücken und Einbandkanten minimal bestoßen, Fußschnitt minimal beschmutzt, Seitenränder minimal gebräunt Sprache: Deutsch Gewicht in Gramm: 280. Artikel-Nr. 52982
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